Was will Mark Zuckerberg von Trump?
Dem Meta-Chef dürfte es bei seinen neuen Richtlinien nicht um den Kampf gegen "Zensur" gehen – sondern um den unbeschränkten Zugriff auf die Daten seiner Nutzer.
In Deutschland liebt man Faktenchecks, das hat hat man in diesen Tagen wieder gemerkt, als etwa 300 Redaktionen sich gleichzeitig veranlasst fühlten, richtigstellen zu müssen, dass Hitler kein Kommunist war. Auch wenn ich die Philosophie hinter Faktenchecks grundsätzlich für richtig halte, fand in diesem Fall eine völlig absurde Behauptung von Alice Weidel, der in ihrem Gespräch mit Elon Musk weltweit (!!!) gerade mal 210.000 Menschen zugehört hatten, erst wirklich große Verbreitung. Aber darum sollte es heute eigentlich gar nicht gehen.
Dass Faktenchecks heilig sind, merkte man nämlich auch an einem anderen Ereignis der letzten Tage: “Mark Zuckerberg schafft Faktenchecks auf Facebook und Instagram ab” – so oder so ähnlich die Meldungen. Die von Meta zur Übersicht viraler Posts beauftragten Faktenchecker seien “politisch zu voreingenommen" gewesen, behauptete Zuckerberg in einem Statement, man werde sich künftig am Community-Notes-System à la Meta bedienen. Außerdem werde man zahlreiche Regelungen abschaffen, die bisher Beleidigungen und Hass verhindern sollten. Dass dass erstmal nur in den USA gelten soll, ging da schon fast unter.
Allzu viel mitbekommen hatte ich von den Faktencheckern zwar eh nie, meine Timeline bei Facebook bestand zuletzt oft aus KI-generiertem Müll, der von Meta nicht faktencheckend gefiltert, sondern mir viel mehr ungefragt nach vorne geschoben wurde. Zum Beispiel eine KI-Oma, die angeblich eine grizzlybärgroße Katze gehäkelt hat und dafür 25000 Likes von Bots und leichtgläubigen Boomern bekommt (für mehr solcher Perlen empfehle ich diesen Reddit-Kanal).
Auch wenn ich den Faktencheckern persönlich nicht allzu viel Einfluss im von Müll durchfluteten Facebook und Instagram zurechnen würde: Im Zweifel hat man natürlich lieber ein paar als gar keine. Noch schlimmer als Musks Kurswechsel selbst ist meiner Meinung nach allerdings die Motivation für selbige: Im Gegensatz zu Elon Musk ist Zuckerberg, auch wenn er sich gerade so gibt, wohl weniger ein überzeugter Neu-Rechter, dem es plötzlich ein Anliegen ist, dass man Homosexuelle auf seinen Plattformen psychisch krank nennen darf. So abstoßend diese neuen “Richtlinien” natürlich sind, sind sie - glaube ich - nicht Zuckerbergs Persönlichkeitswandel geschuldet, sondern schlicht die Erfüllung eines oft ausformulierten Wunschzettels der künftigen Trump-Administration.
Vielleicht geht auch beides zusammen, allerdings muss man sich bei einem Opportunisten wie Zuckerberg fragen, was dieser sich von Trumps Sympathien erhofft. Und hier man muss man nicht lange suchen: Im vergangenen August hatte sich Zuckerberg zusammen mit dem nicht minder unsympathischen Spotify-Chef Daniel Ek in einem Economist-Gastbeitrag beschwert, dass EU-Gesetze wie die Datenschutz-Grundverordnung ihre KI-Innovationen behinderten.
Darin bedienten sie die auch von anderen KI-Unternehmern vorgebrachte Argumentation, dass Gesetze zur Einhegung der Tech-Konzerne im ach so rastlosen globalen KI-Wettrennen unnötig bremsen. Und dass jeder, der sich gegen Daten-Ausverkauf und für Bürgerrechte stark macht, dafür sorge, dass Regime wie China das Rennen gewinnen könnten.
Im September legte Zuckerberg mit ganzseitigen Anzeigen in europäischen Zeitungen nach: “Europa steht vor einer Entscheidung, die sich über Jahrzehnte auf die Region auswirken wird.” Entweder lege man die Datenschutz-Grundverordnung neu aus, “oder Europa kann sich weiterhin dem Fortschritt verweigern, den Bestrebungen des Binnenmarktes nicht gerecht werden und zusehen, wie der Rest der Welt auf Technologien aufbaut, zu denen die Europäer*innen keinen Zugang haben.”
Die aktuelle Positionierung von Zuckerberg muss man also zwischen all dem Kulturkampf-Gebrabbel von vermeintlicher Zensur, “maskuliner Energie” unter genau diesem Aspekt betrachten. Im Gespräch mit Podcaster und Trump-Unterstützer Joe Rogan wurde Zuckerberg am Wochenende sehr deutlich: Ab Minute 22 sagt Zuckerberg hier, was er sich von seinem Kniefall vor Trump erhofft: Dass dieser die EU mit allen Mitteln unter Druck setzt, die Vorschriften bezüglich seiner Plattformen zu ändern.
Auch wenn die EU-Regelungen gegen Desinformation hier eine Rolle spielen, dürften sie in Zuckerbergs Kopf zweitrangig sein. Viel entscheidender ist ihm wohl der Zugriff auf europäische Daten für personalisierte Werbung und zum Training seiner KI-Sprachmodelle. Daten im Netz sind begrenzt, wie ich im Text über Zuckerbergs Ray-Ban-Brillen schon einmal beschrieben habe. Europa mit seinen vielen Sprachen bietet für Zuckerberg einen KI-Datenschatz, dem bisher - Gott sei Dank - EU-Gesetze im Weg stehen, auch wenn deren Durchsetzung bisher eher mäßig ist. In Trump sieht Zuckerberg offenbar einen Rambo, um diese Gesetze ganz beiseite zu räumen.
Die Zahlungen, die US-Techfirmen wie seine von der EU aufgrund von Regelverstößen aufgedrückt bekommen haben, vergleicht er bei Joe Rogan mit unfairen Zöllen: “Wenn ein anderes Land sich mit einer US-Industrie anlegen würde, dann fände die US-Regierung sicher einen Weg, auf dieses Land Druck auszuüben”, sagt Zuckerberg.
Sollten die Anliegen von Zuckerberg bei Trump auf offene Ohren stoßen, könnte dieser also bald mit einem Deal um die Ecke kommen, der etwa Strafzölle auf europäische Autos nur sein lässt, wenn die EU ihren Datenschutz lockert. Oder, vielleicht etwas spekulativ, aber Trump durchaus zuzutrauen: Dass dieser die Unterstützung der Ukraine unter anderem von einer Lockerung des Digital Services Act, Digital Markets Act oder der DSGVO abhängig macht. Dass derartige Entscheidungen davon abhängen, wie offen Trump für eine Bromance mit einem weiteren Tech-Oligarchen ist, ist möglicherweise bald traurige Realität.
Bis nächste Woche!
Quentin