Stargate: Wenn "demokratische KI" von Autokraten finanziert wird
KI-Unternehmer reden oft von Technologie mit "westlichen Werten". Bei "Stargate" treffen nun allerdings ziemlich dubiose Player aufeinander.

Ich habe hier schon mehrmals den rhetorischen Trick von Tech-CEOs beschrieben, die sich Regulierungen vom Hals halten wollten: Wenn wir hier ausgebremst werden, gewinnen die Autokraten das “Wettrennen” um Künstliche Intelligenz. Diese würden dann KI etablieren, die sich nicht an westlichen Werten™ orientiere. Der Chef von OpenAI, Sam Altman, drückte es einmal so aus:
“Will it be one in which the United States and allied nations advance a global AI that spreads the technology’s benefits and opens access to it, or an authoritarian one, in which nations or movements that don’t share our values use AI to cement and expand their power?”
Dieses Zitat von den “Nationen und Bewegungen, die unsere Werte nicht teilen” und “KI nutzen, um ihre Macht zu zementieren und auszudehnen” bitte merken! In den vergangenen Tagen beginnt die Erzählung des demokratischen Gegenpols zur AI-Autokratie nämlich an vielen Stellen zu bröckeln: Da wäre zunächst einmal die Distanzlosigkeit zwischen den CEOs und der Regierung, die immer offener oligarchische Züge annimmt. Elon Musk ist Trumps “first buddy” und hat für seine massiven Parteispenden sogar eine Pseudo-Funktion innerhalb der Regierung bekommen. Über Zuckerbergs Kniefall vor Trump habe ich erst im vergangenen Newsletter geschrieben.
Am Mittwoch durfte nun OpenAI-Chef Sam Altman im Weißen Haus antreten, um gemeinsam mit Larry Ellison von Oracle und Softbank-Chef Masayoshi Son ihr KI-Großprojekt “Stargate” vorzustellen. Und, natürlich, um sich bei Trump zu bedanken: “We wouldn't be able to do this without you, Mr President”, sagte Altman.
Trump kündigte an, Stargate mit Notstandsverordnungen zu unterstützen, insbesondere im Hinblick auf die Energieversorgung der geplanten Datencenter. Außerdem hatte er das bisschen vorhandene KI-Regulierung unter seinem Vorgänger ersatzlos gestrichen. Am selben Tag hatte Trump außerdem tausende verurteilte Straftäter begnadigt, darunter zahlreiche bekannte Neonazi-Milizionäre.
Auch wenn die in Aussicht gestellten 500 Milliarden für das KI-Infrastruktur-Projekt nicht aus der Staatskasse bezahlt werden sollen, ist es durchaus interessant zu sehen, wie sehr Silicon-Valley-Libertäre hier plötzlich die Skepsis vor der Regierung als treibender Kraft bei Großprojekten verlieren. Die absolute Unterwerfung der CEOs gegenüber der neuen US-Regierung sollte ja eigentlich gerade all jene stören, die staatlichen Einfluss in der Wirtschaft fürchten.
Der Einfluss bei “Stargate” kommt aber auch von außen: Der vierte große Geldgeber des Joint Ventures Stargate war bei der Präsentation im Weißen Haus seltsamerweise nicht vertreten. Es handelt sich um die Investorengruppe MGX aus Abu Dhabi. hinter der sich Scheich Tahnoon bin Zayed Al Nahyan verbirgt. Er ist der Bruder des Staatsoberhauptes der Vereinigten Arabischen Emirate und ihr offizieller Sicherheitsberater. Tahnoon bin Zayed Al Nahyan ist immer wieder in den Schlagzeilen, etwa als Teil der Pandora Papers oder den freundlichen Empfang für den syrischen Ex-Präsidenten Assad.
Die Pandora-Papers-Macher vom ICIJ bezeichnen ihn als “spy sheikh”, verantwortlich für den Cyberkrieg gegen Dissidenten und Institutionen in anderen Ländern. Nicht unbedingt der perfekte Partner für “demokratische KI”. Sam Altman scheint damit kein Problem zu haben: Er hatte bereits im vergangenen Jahr versucht, MGX als Finanzier für eine eigene Chip-Firma zu gewinnen. Auch Microsoft hat 2024 gemeinsam mit MGX und Blackrock einen Investment-Fund namens “Global AI Infrastructure Investment Partnership” gegründet.
Die Vereinigten Arabischen Emirate, eine lupenreine Autokratie, sind unterdessen zu einem Top-Zufluchtsort für russische Oligarchen geworden, die Sanktionen umgehen wollen. 2023 bezeichnete Putin himself die Emirate als “Russlands wichtigsten Handelspartner im arabischen Raum”. 2023 wurde durch einen Leak bekannt, dass die Emirate sogar US-Halbleiter nach Russland geschleust haben, im Kampf um kritische Ressourcen und Infrastruktur eigentlich der Sündenfall schlechthin. Die US-Beamtin Elizabeth Rosenberg mit Schwerpunkt Terrorfinanzierung formulierte es so:
“ … between June and November of 2022, UAE companies exported over $5 million worth of U.S.-origin, U.S.-export controlled goods to Russia, including but not limited to semiconductor devices, some of which can be used on the battlefield.”
Fassen wir mal zusammen: Im KI-Prestigeprojekt Stargate trifft ein Präsident, der gerade zig militante Neonazis entlassen hat, auf einen Tech-Unternehmer, der sich in puncto KI nur so lang für “westliche Werte” interessiert, bis es um die Finanzierung seiner Ideen geht. Und das Geld für “Stargate” kommt unter anderem von einem als “spy sheik” bekannten Vertreter einer Autokratie, die kriegsrelevante Mikrochips nach Russland schickte und sich derzeit als safe space und Umschlagplatz für Diktatoren und deren Geld positioniert.
Altman hatte vor “Nationen oder Bewegungen, die unsere Werte nicht teilen” gewarnt. Sie würden KI nutzen, “um ihre Macht zu zementieren und auszudehnen”. Vielleicht sollte ihn jemand an seine Warnung erinnern. Oder wir Europäer uns selbst.
Bis nächste Woche!
Quentin